Fastnet Race 2023 – Warum macht man sowas?

Fastnet Race 2023 – eines der härtesten in seiner 98 jährigen Geschichte. Die DickeBank unter dem Stander des DUYC war dabei. Ein Bericht von Wolfgang Doczyck

(Hier könnt ihr den Bericht auch als PDF-Datei lesen: https://www.duyc.de/wp-content/uploads/Warum-macht-man-sowas_final.pdf)

Warum macht man sowas? 

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Die Windvorhersagen sind mittlerweile richtig zuverlässig. So war es dann auch genau der steife Wind mit stürmischen Böen, der uns ab dem Start am Samstagnachmittag (in Cowes) ins Gesicht wehte – gegen an bei 8 Beaufort? Das Wetter traf uns also keineswegs unvorbereitet. Viel hatten wir über die Anfangsbesegelung diskutiert. Durchgesetzt hat sich dann „die ersten 12 Stunden durchhalten und zusehen, dass nichts Wesentliches verloren geht“. Damit sind Material und Stimmung gemeint. Die Schwerwettererfahrenen (4) unter uns (7) waren jedenfalls nicht ohne Zweifel, ob wir das durchstehen werden. Aber wenn da 450 Boote rausgehen, warum dann nicht auch wir mit unserer DickeBank. Sie ist von Dick Koopmanns 1986 als gut segelnde, schwere 39 Fuß Hochseeyacht gezeichnet worden – so im Style einer Swan oder Baltic damaliger Zeit. 

Wir sind also völlig unterpowert mit dem 1. Reff im Groß und einer Kutterfock gestartet. Ich am Ruder habe mich über jede Böe über 25 kn richtig gefreut, weil erst dann etwas Druck ins Schiff kam. Aber wir waren in guter Gesellschaft, eine Reihe von Booten ist sogar mit Try und Sturmfock gestartet. Bis zu den Needles war alles easy. Mir war aus der Nordseewoche 2016 noch in Erinnerung, was 4 kn Strom gegen den Wind aus der Elbe so gemacht haben. Also habe ich die Crew zusammengerufen und die Frage gestellt „Wollen jetzt wirklich alle da durch – nicht nur durch die Needles, sondern dann noch 10 h weiter so? Erst gab es Schweigen – und irgendwie zustimmende Gesichter – bis einer laut und deutlich „Segeln!“ sagte und sofort alle einstimmten. Hätte der erste so etwas wie „vielleicht umdrehen“ gemurmelt – ich hätte nicht dagegengeredet. Mann, bin ich heute dankbar, dass der Erste „segeln“ sagte.

Im Ausgang des Solents (Hurst Castel / Needles) war die Wellenform und Höhe beeindruckend – in den Medien werden „Hexenkessel“ und „brutal“ benutzt.

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Zu den Wellen kamen aber noch die anderen Segler……. 

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Die Juno unter Try und Sturmfock hat uns unterwendet – und kommt uns ziemlich nah – echt ängstliche Blicke auf die über und unter uns in unmittelbarer Nähe liegende X-34. Sie schafft unsere Höhe aber nicht (ist jetzt etwas zweideutig😊) und wendet zu unserer Erleichterung wieder weg.

Der riesen Imoca MEDALLIA passiert uns knapp danach achtern (was machen die hier?), dicht gefolgt von der polnischen HULTAJ. 

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Uns reißt in der nächsten Wende die 1. Reffleine im Groß – wir gehen aufs 2. Reff. In der folgenden Wende reißt die Schot der Kutterfock am Schothorn- die Schot muss vor der nächsten Wende wieder am Segel sein – die Vorschiffscrew erledigt das (vor der Sprayhood). 

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Dann der erlösende Ruf vom Navigator „frei von den Needles- keine Wende mehr für die nächsten 20 sm“. Die Reffleine ist gekürzt und neu eingeschoren – wir reffen ins 1. Reff aus.

Der Ausgang vom Solent kann eigentlich nicht so schlimm gewesen sein – hatten wir hier auch noch andere Schiffe, Reparaturen und Zeit für Fotos.

Der Wind nimmt weiter zu auf 30-35 kn Mittelwind. In Böen sehen wir 43 kn und die eingerollte G3 öffnet sich im oberen Bereich – und schlägt beängstigend. Was für ein Alarm – wir müssen schnell die 

G3 komplett aus- und wieder einrollen – dabei reißen 2 Lattentaschen aus und ich sehe die Latten auch noch im aufgewühlten Meer eintauchen. Aus der wieder eingerollten G3 sind Stofffetzen zu erkennen – man, wenn das Segel mal keinen Schaden genommen hat, wir wollten es doch fürs Race schonen. Seit 19:00 segeln wir im Wachsystem – es kehrt jetzt etwas Ruhe ein. Zeit das Adrenalin abzubauen und sich zu fragen, wie geht es mir eigentlich? Ich bin -wie die anderen auch an vielen Stellen bis auf die Haut nass – wie kam das Wasser nur dahin – schlechtes Ölzeug? – aber bei allen? In der Kajüte geht es mir irgendwie nicht gut – schnell in die Koje – da gehts dann so lala. Um 22:00 erster Wachwechsel in eine schwarze stürmische Nacht hinein – die Crew aus der warmen Koje ins unwirkliche Cockpit. Wie ich kurz später deutlich hören kann, werden die Fische ordentlich gefüttert – geht draußen also auch nicht so gut- man trifft sich an der Schublade mit den einschlägigen Medikamenten. Nur Siggi – unser Navigator und Versorgungskünstler- bleibt unbeeindruckt.  Auch ich nehme zum ersten Mal eine Vomex. Als wachfreier Skipper weiß ich noch nicht, ob wir ernsthafte Ausfälle durch Seekrankheit bekommen und ich vielleicht noch richtig gefordert werde. Also lieber auf Nummer sicher und die Pille geschluckt. Aber nach Mitternacht kann man dann deutlich spüren, dass der Wind abnimmt und mit dem ersten schwachen Licht rollen wir die G3 aus. Zum Glück sind die Stofffetzen nur die aufgenähten ausgerissenen Lattentaschen – also noch einsatzfähig. Nach 12 Stunden Kampf gehen wir in den Races Modus über und notieren die AIS-Positionen der konkurrierenden Schiffe in einem Radius von 10 Sm. Der Wind nimmt weiter ab, wir wechseln auf die große Genua, reffen aus und frühstücken erstmal richtig gut. Sonntagswetter mit 10-12 kn  – dazu Sonne- kann das Leben schöner sein?  

Bis Montagmittag entspanntes Segeln – die Bordroutine kehrt ein – die Laune ist bestens – als wenn wir es schon geschafft hätten. Dann dreht der Wind auf Nord und nimmt auf gut 30 kn zu – die angekündigte Warmfront. Wir reffen Groß und Genua, entscheiden uns nach aktuellen Wetter- und Strömungsdaten – dank Satphone – gegen die Route durch die Scillys und lassen die „Dicke“ bei halben Wind mit Rumpfgeschwindigkeit durch die Wellen Richtung TSS stochen. Nach 4 Stunden geht der Wind wieder auf 10 kn zurück, um dann bis Dienstagmorgen in Mitten der Irischen See ganz einzuschlafen. Flaute kann ich gar nicht – okay, ich weiß, dass hier die Regatten oft entschieden werden – trotzdem bekomme ich immer richtig schlechte Laune.  

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Ein Grund dafür könnte sein, dass für die Dicke mit ihren 11,5 Tonnen Kampfgewicht da nix zu holen ist. Um uns herum die direkten Konkurrenten um die IRC 4 Plätze – teils in Sichtweite. Die X-332 VANILLA (konnten wir im North Sea Race knapp schlagen), die Sigma`s 38 SAM, MARTA, SPIRIT und die uns bekannten IRC 3 Boote SNIFIX DRY (Peterson 43), PANTHER (J 105) und SUN KOSI (Sunfast 3200) machen hier Meilen gut!

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So runden wir nach 460 gesegelten Seemeilen in der frühen Mittwochnacht bei Regen um 02:34 – auf dem 12. Platz – den Rock. Auf die VANILLA haben wir hier 94 Minuten oder 11 Sm verloren- aber auch noch 12 Minuten auf SAM, mit dem in der Flaute auf Ruf-Distanz waren – das mit den Verlusten hat mich schon richtig geärgert. Der Rückweg vom Rock zu den Scillys dann ein Halbwindkurs mit 15, schnell auf 25 und vor den Scilliys auf 30 kn ansteigendem Wind. Auf diesem Leg – nach 3 anstrengenden Tagen auf See – wollten alle von uns noch mal richtig pushen. Ja genau – so muss Boris Hermann in dem Video gefühlt haben, als er „push-push-push“ grinste. 

Auf Halbwindkurs kontinuierlich Rumpfgeschwindigkeit fahren, das heißt höchste Konzentration vom Rudergänger und die Bereitschaft zum Leiden vom Rest der Crew.

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Das Boot rast durch die hohen Wellen, viel grünes Wasser kommt über. Das ganze Schiff gibt den massiven Druck im Rigg 1:1 an uns weiter. Kommen die Böen rein, ist die Segelfläche direkt viel zu groß und das Boot will vehement anluven. Kann der Rudergänger das Boot nicht abfangen, gibt es einen Sonnenschuss mit schlagenden Segeln und entsprechend hoher Belastung für Segel und Rigg. Und der Segelwechsel ist mehr als anstrengend und nass. Kleinere Segel bringen Entlastung – das Boot ist bei Mittelwind dann aber nicht mehr am Limit. Aber wir wollen ja pushen – also wieder das größere Vorsegel. Denn auch die anderen geben Vollgas. SAM können wir überraschen, weil wir völlig crazy in einer kurzen Phase mit weniger Wind direkt den Code 0 ziehen. Auch wenn wir ihn in einer 30 kn Böe kurz danach wieder bergen müssen –  es hat zumindest gereicht um uns vor sie zu setzen.

Bei den Scillys hatten wir am Mittwochabend durch unser konsequentes pushen den Vorsprung der VANILLA auf 42 Minuten – also fast halbieren – können.

Ich mache Müsli mit Joghurt und Honig sowie ne Kanne Tee für die Jungs draußen, schaue ihnen zu  und fühle mich einfach großartig – routiniertes Hochseesegeln – mit einer tollen Crew, die ein Schiff mit hohem Einsatz ohne zu murren durch Wind und Wetter steuert. Hört sich an wie bei Rosamunde Pilcher – klischeehaft und kitschig – es ist aber genauso und fühlt sich richtig, richtig gut an. 

Die letzten 200 Seemeilen von den Scillys nach Cherbourg sind wir irgendwie im Endspurt Modus – noch 200 Sm um die 52 Minuten auf VANILLA gut zu machen. VANILLA, VANILLA, VANILLA – ja genau- Sie war zu unserem Target geworden. Mit Anfangs Böen über 30 kn eine tiefer Reachkurs – erst mit großer Genua, später mit Code 0. Die Wellen runter bis 11,4 kn auf der Logge – für Boote die glitschen nix besonderes – aber auf der Dicken mit einer maximalen Rumpfgeschwindigkeit von 8,5 kn kommt man dabei schon richtig in einen Geschwindigkeitsrausch. Unweigerlich fragt sich der Eigner und Skipper, wie lange das Material das wohl mitmacht. Der Spiblock im Mast hat dann auch als erstes aufgegeben (2,5 t Bruchlast), kurz danach ist das Dynema Spifall gerissen – „Code im Wasser“, der Ruf der mich aus dem Bett holte – All Hands on Deck – den Code bergen. Die 86 m² gerade an Deck liegend und schon den 100 m² Spi am Reservefall gesetzt. Ab geht die Post – wow! Bei dem Winkel noch besser als mit dem Code – müssen wir uns merken! 

90 Seemeilen vorm Ziel kreuzt VANILLA unser Kielwasser und will in Lee vorbeigehen. Bis hierher hatten wir es also geschafft, den Vorsprung von VANILLA zu pulverisieren. Aber jetzt waren sie wieder schneller, der Wind hatte abgenommen. Also noch unseren großen Spi (116 m²) größeren 2. Spi setzen. Beim Manöver müssen wir feststellen, dass vom Reservefall nur noch wenige Kardeelen den Spi gehalten haben. Auf den letzten Drücker verhinderte also die Entscheidung auf den großen Spi zu wechseln, dass auch der kleine Spi im Wasser landete und wir kein Fall mehr zum Setzen des 2. Spi gehabt hätten. Glück gehört eben auch dazu. Durch die Reparatur des Reservefalls konnte VANILLA zwar ca. 1 Seemeile davonziehen, mit dem großen Spi kamen wir auf dem mittlerweile spitzeren Kurs aber langsam wieder auf. Da VANILLA aufgrund ihres IRC Rating uns vergüten musste – ca. 20 Minuten- hätten wir uns nur an sie dranhängen und auf die korrigierte Zeit setzen müssen.

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Das wusste VANILLA wohl auch, hat ihren Kurs geändert und ist weiter abgefallen – hier lief sie dann wieder leicht besser als wir. Daher haben wir entschieden, wieder anzuluven und durch das Alderney Race zu gehen, um am Cap de la Hague dicht unter Land in die Gegenströmung zu gelangen.  Wow, waren die letzten 3 Stunden bei abflauenden Winden nochmal spannend. Es war ganz ruhig an Deck, wir fahren die Dicke hoch konzentriert, nur ein Thema – wie schaffen wir es vor der VANILLA über die Ziellinie zu gehen. Am Navitisch wird über den Winkel in der Strömung gebrütet, leise die Kurse fast hochgeflüstert. Oben habe ich das Ruder mit spitzen Fingern geführt und der Spi wurde getrimmt als wären wir in einem ORC-WM Downwind. Ein Kopf an Kopf Race nach 800 gesegelten Meilen! Eine Bootslänge vor der VANILLA queren wir Freitag um 00:09:32 als 6. in IRC4 die Ziellinie.

Für den Gefühlssturm danach fehlen mir die Worte – oder ganz einfach: 

Genau darum macht man sowas!!!

Respekt für alle Crews die dabei waren! Wir wissen, was die Boote vor und nach uns geleistet haben.

Die Franzosen sind direkt nach der Ziellinie mit dem ersten Rib da und feiern uns – „One Meile 105° there is the next Rib waiting“ – ein echt großer Hafen! Insgesamt 3 Rib-Crews begleiten uns wirklich bis in die Box – fühlen wir uns gewertschätzt!! Laute Tanzmusik ist im Hafen zu vernehmen – die Crewbar hat 24 h geöffnet!! Nach ein paar Bier im Cockpit feiert die Crew mit den anderen Crews in der Bar – bis es wieder hell wird – ich gehe früher – bin etwas kaputt…

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Am Freitag dann Volksfest im Hafen – große Gruppen von Besuchern auf den Stegen die die Boote bestaunen, Jets der Marineflieger im Tiefflug malen die Trikolore direkt über uns in den Himmel, bei Dunkelheit reißt uns eine Drohnenschau vom Hocker – ja ich fühle mich richtig geehrt von den Franzosen. 

Bei der großen Abschlussparty am Freitagabend ging ab Mitternacht dann die Post ab, wie ich es noch nie bei einer Regatta erlebt hatte. So krass feiern also Seglern in dem Bewusstsein etwas Besonderes, etwas Großes erlebt (und geleistet) zu haben.

Und jetzt ein paar Wochen danach? Kein Blitzlichtgewitter, keine Ehrungen, keine TV-Talkshow oder ein Angebot von Boris Hermann – nein das Leben geht für uns ganz normal weiter – die Welt hat sich für alle Anderen einfach weitergedreht – nur für uns hatte Sie einen Augenblick angehalten. Ich bin mir sicher – keiner der dabei war kann es je vergessen.  

Wolfgang Doczyck

Skipper SY DickeBank

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