Südfrankreich

Einmal Mittelmeer und zurück

Was war das größte Abenteuer unserer Reise nach Südfrankreich? Nicht der Mistral, der in der berüchtigten Bucht von La Ciotat besonders heimtückisch bläst. Nicht die 1.100 Kilometer lange Fahrt mit unserer Sailart 20 auf dem Trailer. Auch nicht die erste Station der Hinreise im elsässischen Riquewihr mit seinen malerischen, aber ebenso schmalen Gassen. Nein, es war – natürlich – das Kranen.

Denn fast wäre unser dreiwöchiger Segelurlaub in der Hafen- und Industriestadt La Ciotat bei Marseille vorbei gewesen, bevor der Mast überhaupt gestellt werden konnte. Die netten Hafenarbeiter im neuen Port de Plaisance haben sich schlicht verschätzt. Sie dachten, der Gabelstapler mit den zwei etwa drei Meter langen Gabeln würde unseren Kleinkreuzer mal eben schnell ins Mittelmeer hieven. Falsch gedacht: Sofort kippte das 900 kg schwere Boot zur Seite und verpasste der Radkappe des Trailers eine tiefe Beule, bevor der Kranführer seine Gabeln hastig nach unten lassen konnte. Autsch! Wir hatten Glück im Unglück. Die „sari“ blieb heil und durfte dann doch mit dem großen Kran durch die 36 Grad heiße Luft schweben.

Okay, es gab noch ein zweites Abenteuer. Den Liegeplatz im Alten Hafen der 34.000-Einwohner-Stadt hatten wir erst nach gefühlten 200 E-Mails ergattert. Übernachtet wurde im gemieteten Haus in der Stadt. Die Wellen sollten uns nur am Tag sehen und abends zurück in den immer gleichen Hafen führen. Wir brauchten also nicht weniger als eine Box, einen Steg, eine Leine für bescheidene drei Wochen. Das war der Plan. Eine fixen Liegeplatz im Sommer in Südfrankreich? Es gibt deutlich vielversprechendere Aufgaben. Erste Kontaktaufnahme im September des vergangenen Jahres. „Melden Sie sich bitte zu Jahresbeginn wieder“, hieß es aus der Capitainerie, „dann eröffnen wir unsere Warteliste.“ Wir hatten gerade aufs neue Jahr angestoßen, da zischte die vorformulierte Mail aus dem Postkorb in Duisburg nach La Ciotat. Zwei Tage später die Antwort: Ende April/Anfang Mai teilen wir die Liegeplätze zu und werden sie informieren. Scherzkekse!

Aber, natürlich, es hat zu guter Letzt doch alles geklappt und wir erhielten einen perfekten Liegeplatz für drei Wochen. Endlich konnten wir das Revier genießen. Es ist vielseitig. Schon allein die Bucht von La Ciotat bereitet ordentlich Spaß. Nachdem wir das örtliche Wettergeschehen beobachtet hatten und sich der anfängliche Mistral mit seinen 6-7 Bft verzogen hatte, traute sich die noch jungfräuliche „sari“ weiter hinaus. Was sich eröffnete ist ein faszinierendes Gebiet mit dem Nationalpark Calanques und seinen wunderschöne Buchten und Steilküsten. Wir kreuzten mit 2-5 Bft bei meist südlichen Winden oder ließen bei Flaute den 6 PS starken Tohatsu schuften. Der Torquedo, den wir spaßeshalber auch dabei hatten, war schlicht überfordert. Für Müßiggang fehlte in den drei Wochen die Zeit. Segelfreie Tage ließen sich prächtig in der Provence mit seinen pittoresken Dörfern und der pulsierenden Metropole Marseille verbringen. Wenn die Gegend nur nicht so weit weg wäre… Übrigens, das Kranen vor der Heimfahrt hat dann reibungslos geklappt.

Jörg Schäfer

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